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Atomare Stoerfaelle in Japan

Man mag ob der unklaren Faktenlage zu verschiedenen Schlussfolgerungen kommen… die Ereignisse in Japan sind in Gänze als Katastrophe anzusehen. Da hierdurch auch in Deutschland die Diskussion um das Für und Wieder zur Atomkraft erneut angestossen wird und es sich hierbei um ein Thema handelt, welches mich sehr bewegt, im folgenden einge Anmerkungen meinerseits.

Ziel ist es, die vielfach schlichtweg falsch genutzten Begriffe wie Risiko zu klären und eine logisch abgeleitet Entscheidung zu diesem Thema herzuleiten. Für fachliche Erklärungen zur aktuellen Situation sei auf den excellenten Artikel von morgsatlarge wie auch auf die Seite gau-japan verwiesen.

Also….

Die Bewertung der friedlichen Nutzung der Atomenergie kann nur faktenbasiert erfolgen. Wenn wir dies aufgeben, so geben wir jegliche Form von objektiver Einschätzung auf und öffnen Willkür und Irrationalität Tor und Tür. Insofern im folgenden Fakten, deren Diskussion ich in der deutschen Medienlandschaft vermisse.

These: Atomenergie ist riskant.

Antwort: Was ist Risiko? Eine objektive Bewertung von Risiko kann nur erfolgen, so man Eintrittswahrscheinlickeit und (!) Schadensausmass im Schadensfall bewertet und für unterschiedliche Szenarien vergleichend bewertet, also mit einen geeigneten Maßstab normiert.

Wenn man hierfür die entsprechenden Statistiken bemüht und rational und emotionsfrei das objektive Risiko für verschiedene Energiequellen ermittelt, so kann man durchaus zu dem Schluss kommen, dass gemessen in Tote / Jahr * TWh Atomkraft auf einem Niveau mit der Energieerzeugung aus Kohle steht. Letztere mit einigen Zehntausend Toten pro Jahr. Erstere mit seltenen Katastrophen von vielfach größerem Ausmaß.

These: Japan aendert alles

Antwort: Nein. Das Risiko war vorher da und ist auch nach wie vor vorhanden. Wenn es gesellschaftlicher oder (!) politischer Konsens ist, dass der gesamtgesellschaftliche Nutzen dieses Risiko wert ist, so ändert ein Schadenseintritt daran nichts. Man ist dieses Risiko bewusst eingegangen und sollte dementsprechend auch bereit sein, die Konsequenzen zu tragen. Ist man dies beim Schaden nicht, so hat man sich vorher in die eigene Tasche gelogen.

Was sich eventuell ändern könnte ist a) eine Hinterfragung ob dieses Risiko wirklich von Anfang annehmbar gewesen ist und b) ein Hinweis darauf, dass Verdrängung von Risiken langfristig keine Lösung ist.

These: Das ist ein Super-Gau

Nein. Zumindest gestern abend waren die Unfälle auf der internationalen Skala für Atomunfälle als Stufe 4/5 eingeordnet. Es gibt diverse Vorfälle auch in Europa, die gleich schwer eingestuft wurden. Erst bei einem Unfall der Kategorie 6 / 7 reden wir von wirklich gravierenden Auswirkungen auf Umwelt und Menschen. Dies ist zum Glück erst 1 x passiert.

These: Deutsche AKWs sind sicher denn hier gibt es keine Erdbeben.

Hier wäre ich mir im Hinblick auf den Oberrheingraben nicht sicher. Man bedenke – die Nachbeben in Japan sind stärker als die Auslegungsgrenze der dortigen AKWs.

Weiterhin führt der Ausschluss einer einzigen Fehlerquelle nicht dazu, dass eine Technik per se absolut sicher ist. Gerade bei einer komplexen Technik gibt es viele Möglichkeiten (Vorsatz wie in Tschernobyl; Kombination mehrer sehr unwahrscheinlicher Naturereignisse wie in Japan etc.), die bei der Entwicklung nicht berücksichtigt wurden und welche dann zu größeren Schäden führen können. Terroranschläge, Flugzeugabstürze etc. Dies alles muss in der Risikobetrachtung (s.o.) berücksichtigt werden.

Fazit:

Obiger Text mag auf den ersten Blick atomfreundlich klingen, ist aber letztlich aus rationalen Erwägungen abgeleitet. Kritik ist herzlich willkommen. Und wie stehe ich dazu? Ich bin gegen die Nutzung der Atomkraft und zwar aus folgenden Überlegungen:

  • Die Belastbarkeit oben genannter Risikoabschätzung ist sehr gering. Es liegen nur wenige Erfahrungen aus echten Störfällen vor (zum Glück); theoretische Abschätzungen sind immer hoch kontrovers zu diskutieren. Insofern ist das sog. Konfidenzniveau in meinen Augen nicht ausreichend gesichert.
  • Das heisst? Auch wenn Risikoberechnungen als Ergebnis einen akzeptablen „Body Count“ liefern könnte, so ist die Bandbreite innerhalb eines z. B. 95%-Perzentils immens. Mag man ein mittleres statistisches Risiko der Atomkraft von z. B. 10.000 Personen / Jahr ermitteln (was imho akzeptabel wäre), so können es je nach Interpretation und realer Situation auch um den Faktor 100 mehr oder weniger sein. Also 100 oder 1.000.000 Personen / Jahr. Ist letzter Wert noch akzeptabel? Nein!
  • Endlagerung: Die Suche nach einem Lager wird zurzeit primär politisch motiviert betrieben. Die Anwendung technischer Ausschlusskriterien wie auch eine objektive Analyse der Risikofaktoren finden öffentlich einsehbar nicht statt. Aus diesem Grund wie auch aus dem Grund, dass keinerlei Erfahrungen mit solchen Lagern vorliegen, vertrete ich die Meinung, dass hier mögliche Auswirkungen auf die Umwelt nicht ausreichend sicher abgeschätzt werden können. Im Prinzip gilt das in 1) gesagte.
  • Kommt es wirklich zu einem Störfall der Kategorie 6 / 7, so ist das hervorgerufene Leid groß. Im ungünstigen Fall ist die ganze Welt betroffen; ganze Staatengebilde werden möglicherweise zerrissen oder zerstört. Vom Leid millionen betroffener Menschen ganz zu schweigen…. Die Folgen sind so unfassbar immens, dass durch die Menschheit alles menschenmögliche getan werden muss, um dieses Leid zu absolut 100 % auszuschließen. Ich verlasse also meine oben aufgeführte Argumentation der Risikoabschätzung muss aber gleichzeitig einsehen, dass es sich hier um eine ethisch / philosophisch einzuordnende Betrachtungsweise handelt. Mag jemand dieser Sichtweise nicht folgen, so ist dies von mir zu akzeptieren.

Meinungen? Kommentare?

Bundespolitik – Neue Hoehenfluege

Fast ohne Worte, so traurig sind die neusten geistigen Höhenflüge der Politiker…

Gueünther Beckstein, CDU

“Online-Durchsuchungen seien aber notwendig, “weil Terroristen das Internet zur Fanatisierung ihrer Anhänger, zum Bombenbau und für Einsatzbefehle brauchen”.

Das Mittel der Online-Durchsuchung richtet sich gegen PCs und eignet sich kein bisschen für die Überwachung des Internets. Setzen, 6!

Uwe Schünemann, CDU

Wer keine eindeutigen Regelungen auf den Tisch lege, werde selbst “zum Sicherheitsrisiko”, hielt er der SPD-Politikerin vor. (heise)

Nennt sich das Aktionismus? Oder sollen hier Kritiker in eine Ecke gedrängt und verurteilt werden? Was kommt als nächstes? Wer nicht das macht, was wir wollen, wird erschossen? Bedenklich, bedenklich…

Schaeuble bei Will

Auch wenn der Minister Schäuble eiskalt und rhetorisch durchaus brilliant seine Ansichten äußerte, so ist folgendes Zitat aus gestriger Sendung doch ein gutes Beispiel, dieser “Redekunst”.

“Ich habe nicht gesagt, es sei nur eine Frage der Zeit, bis ein
Anschlag mit einer schmutzigen Bombe erfolgen kann. Ich habe gesagt,
die Sicherheitsexperten sagen weltweit seit vielen Jahren, dass sie
damit rechnen.”

Wo, Herr Schäuble, ist denn der Unterschied zwischen diesen beiden Aussagen? Ich gehe jede Wette ein: Fragen Sie 10 Bürger auf der Straße! Die Antwort wird lauten: Keiner!

Eiskalt, rhetorisch geschickt und berechnend!

Schäuble als Minister ist Kraft seines Amtseides wie auch auf Grund seiner Aufgabe als Innenminister dazu verpflichtet, die freiheitliche Grundordnung zu schützen. Nunwar im Interview Schäuble auch auf mehrfache Nachfrage von Anne Will nicht in der Lage (oder nicht Willens), dazu Stellung zu nehmen, wo die Grenzen der Sicherheitsgesetze in Relation zur per Grundgesetz verankterten Freiheit liegen.

Kann es sein, Herr Schäuble, dass Sie Ihre Aufgabe nicht ernst nehmen? Oder was planen Sie? Eine neue Form von Ermaechtigungsgesetzen?

Kollidiert ein Gesetzentwurf mit dem Grundgesetz, so kann die relfexartige Reaktion nicht sein, eben dieses Grundgesetz ändern zu wollen.

Oder für Sie etwa doch?

Schaeuble & Co im Tal der Ahnungslosen

Online-Durchsuchung, ja ja, das ist auch in der Haushaltsdebatte ein heisses Eisen. Ist ja nur für die Sicherheit, genau…

Das sagt jedenfalls Herr Schäuble. Der muss es ja wissen, ist ja auch Innenminister und damit zuständig für diese Dinge. Sozusagen der Experte, ja ja. Wie auch seine Kollegen vom BKA. Weiss man doch… (mp3, 45 Sekunden, netzpolitik.org)

Ist Kompetenz jetzt ueberfluessig?

Aber alles halb so wild, meint die Kanzlerin.

Deutschland drohe kein Polizeistaat. Es dürfe aber keine Räume in der Gesellschaft geben, auf den die Sicherheitsbehörden keinen Zugriff haben…

Was unterscheidet denn einen Staat, der seinen Bürgern keine Freiheit lässt, von einem Polizeistaat? Nichts! Schon mal im Lexikon nachgeschlagen, Frau Merkel? Oder im Grundgesetzt?

Ist das so unverstaendlich?

Und dann auch noch Bosbach mit der Forderung nach einem Konvertiten-Register. Wie wäre es denn gleich mit der Forderung nach gelben Halbmonden fuer Moslems? Aber, wie im Kommentar von Bernd Oswald treffend formuliert:

Für den Impulsgeber Bosbach ist der Verfassungsgrundsatz offenbar eine zu vernachlässigende Größe.

Leider nicht nur für ihn….

Waeh, ICH WILL ABER!!! sagt Sschaeuble

Ja, es geht um die Online-Durchsuchung, also um ein technisch leicht umgehbares ergo wirkungsloses Mittel zur Analyse von heimischen Festplatten das gravierende Einschnitte in den privaten und durch das Grundgesetz geschuetzten Lebensraum erforderlich macht.

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Quelle: tp

Nun hat ja der Bundesinnenminister die Aufgabe, das Grundgesetz zu schützen. Aber nicht unser Schäuble, nein! Mit geradezu bewundernswerter Penetranz und einem bemerkenswerten Mangel an Wissen wird eine absurde Forderung nach der Anderen in den Aether gebrüllt.

Hierbei wird nicht nur das Grundgesetz mit Fuessen getreten, eine richterliche Kontrolle und damit eine Überwachung der Maßnahmen durch Dritte wird durch Schäuble gleich mit aus dem Weg geschafft. Und sollten die einheimischen Rechte immer noch zu restriktiv sein… macht ja nichts, wann machen Sie denn mal wieder Urlaub in Israel oder Amerika, Herr Terrorist?. Bei Bürgern würde man hier durchaus z. B. von Auftragsmord sprechen! Aber der Schäuble schützt ja die Verfassung, gelle!

Helfen alle ach so sinnigen Argumente nicht mehr, tja, dann hilft nur noch Aktionismus! Da muss man die Durchsuchung jetzt machen, verfassungsrechtliche Bedenken, wenn juckts. Kritik? Alles verantwortungslos, vollkommen verantwortlungslos

“Der amerikanische Geheimdienst macht das; die anderen Geheimdienste machen es. Und Deutschland wird es auch machen, …

Toll, Hans-Peter Uhl (CDU Innen-“Experte”). Der Michel geht bei rot über der Ampel, die Susi auch. Da muss ich es auch machen. Bumm….

Merkt Ihr da oben eigentlich noch was?????

Aber warum denn diese Aufregung? Es sind ja nur weniger als 10 Faelle pro Jahr. Halt, ich mein ja 50 Faelle …. Und das Umfeld der Personen noch dazu. Illegale WLAN-Nutzung? Ach die paar Buerger, mensch, es geht um die SICHERHEIT!!.

Stellt sich nur die Frage

Sind die gegenwärtigen Politiker so dumm, wie sie sich geben, oder
verfolgen sie ein Ziel, das ich nicht erkenne?

Leute, schreibt und diskutiert mit euren Politikern! Weg mit der Online-Durchsuchung, Weg mit Schaeuble. Her mit Verstand

PS: Die Kanadier haben letztlich die Terrorgesetzte aufgehoben. Bringt nichts, das Zeug.

G8 – Die Dicken und das Klima

Die Gemeinschaft der acht dicksten Menschen vermeldet:

Wir werden ernsthaft in Erwägung ziehen, unser Gewicht ab 2012 um 50 Prozent zu verringern, unter der Vorraussetzung, dass dies keine negativen Auswirkungen auf unsere Essgewohnheiten hat.

Was würde ein Reporter über eine solche Meldung denken? “Ab in den Müll” wäre wohl noch eine der wohlgesonneneren Interpretationen.

Nun wundert es, dass vorgestern bei G8 Gipfel just eine solche Meldung als Durchbruch bei den Klimaschutzverhandlungen vermeldet wurde. Der Riesenerfolg von Merkel analysiert kritisch die Vereinbarung zum Klimaschutz. Nicht nur, dass es Frau Merkel nicht gelungen ist, verbindliche Beschlüsse zu ziehen, nein, auch im Vergleich zu den im Vorfeld des Gipfels erarbeiteten Diskussionspapieren ist eine Verwässerung und Entschärfung zu verzeichnen.

Heisse Luft? Ja! Erfolg? Nein!

G8 – Glotzen Uff, NDR!

Gestern abend, 21 Uhr, NDR Sondersendung rund um G8. Thema unter anderem eine Live-Berichterstattung aus Hinter Bollhagen. Vor Ort eine Reporterin mitsamt Kamerateam.

Gemeldet wird, dass sich die Polizei nach der Räumung der Zufahrtsstraße inzwischen zurückziehe. Es seien noch vier Wasserwerfer vor Ort. Im Hintergrund zu sehen sind fünf Wasserwerfer auf der an die Straße angrenzenden Wiese. Zwei weitere Wasserwerfer sind auf der Straße zu sehen.

5 + 2 = 4? Glotzen Uff, NDR

Und weiter: “Die Polize war mit einem massivem Aufgebot von 6000 – 7000 Beamten im Einsatz.” Insgesamt sind zur Sicherung des G8-Gipfels ca. 16.000 Beamte vor Ort. Geht man von einer durschnittlichen Dienstzeit von 12 Stunden exklusive An- und Abfahrt aus, so wären, abgesehen von 1000 Beamten, alle (!) Einsatzkräfte in Hinter Bollhagen im Einsatz.

Nachdenken, NDR

G8 – Die Medien und die Vierte Gewalt

Ein objektiver und investigativer Journalismus klärt auf, fasst zusammen, recherchiert und unterstützt so eine unabhängige, überparteiliche und differenzierte Meinungsbildung der Bürger. Nur wie sieht es mit der Berichterstattung im Rahmen des G8 Gipfels in Heiligendamm aus? Werden die Medien dieser Aufgabe gerecht?

Nein! Das Bild der klassischen Medien als Kontrollorgan der staatlichen Macht kann nur blamabel und indiskutabel genannt werden.
Insbesondere die Online-Medien versuchen, durch Live-Ticker wie auch durch aktuelle, zumeist kurze Artikel das Informationsbedürfniss zu stillen und einen aktuellen Überblick über die Lage und die Entwicklung des Geschehens zu vermitteln. Hierfür werden Informationen von Presseargenturen, Pressemeldungen der beteiligten Parteien wie auch die Informationen der Reporter vor Ort herangezogen.

Die Wahrheit? Diese fällt bei den in den letzten Tagen zu verzeichnenden Journalsimus unter den Tisch! Sorgfalt? Investigativer Journalismus? Auch öffentlich-rechtliche Sendeanstalten, deren Rolle als vierte Gewalt im Staat vielfach als Argument für die  Rundfungebühren herangezogen wird, zeigten und zeigen vielfach eine Ignoranz und mangelnde Sorgfalt, die erschreckend ist. Da werden einfachste Recherechen unterlassen; im Minutentakt werden z. T. wiedersprüchliche Informationen in den Äther geblasen; Artikel werden nachträglich ohne Kennzeichnung geändert…. Egal, hauptsache die Schlagzahl stimmt!

Einige Beispiele…

Der Krieg und die Demonstration

Während der Auseinandersetzungen am Rande der Großdemonstration veröffentlichte die Nachrichtenagentur DPA um 18.41 Uhr eine Meldung ihres Korrespondenten Helmut Reuter aus Rostock:

Um 17.30 Uhr werden die ersten Autos angezündet, während unweit vom Tatort auf der Kundgebungsbühne ein Redner die militante Szene noch mit klaren Worten aufstachelt: “Wir müssen den Krieg in diese Demonstration reintragen. Mit friedlichen Mitteln erreichen wir nichts.”

Diese Meldung wird ungeprüft und undiskutiert durch die Medien übernommen. Spiegel Online berichtet: “[18:30] Auf der Kundgebungsbühne stachelt ein Redner die militante Szene auf: “Wir müssen den Krieg in diese Demonstration reintragen. Mit friedlichen Mitteln erreichen wir nichts.” Die gleiche Meldung wird unter anderem von ZDF Heute Journal, der Bild Zeitung und vielen weiteren Medien übernommen.

Nur, der Redner auf der Bühne ist Walden Bello, Professor für Soziologie und Träger des alternativen Nodelpreises. “Wir müssen den Krieg hier mit reinbringen. Denn ohne Frieden kann es auch keine Armutsbekämpfung geben.”, so die Aussage des Übersetzers auf der Bühne. Bellos Sätze werden Live durch Phoenix übertragen.

Der Schaden ist geschehen. Von Sorgfaltspflicht der Presse – die Veranstaltung wurde live übertragen – keine Spur. Spiegel Online braucht z. B. 23 Stunden und zwei Versuche, diese Falschmeldung in den Tiefen des Live-Tickers zu korrigieren. Andere Medien reagierten nicht.

Clowns und die Säure

Diese Clowns verstehen keine Spass“, so der Titel einer Meldung des Deutschen Depeschen Dienstes am 5. Juli. Und weiter: “Mit ihren Wasserpistolen sorgten die Clowns jedenfalls bei der Polizei für Tränen: Acht Beamte mussten sich in ärztliche Behandlung begeben, nachdem sie mit noch unbekannten Flüssigkeiten bespritzt worden waren.” Zitiert wird Polizeisprecher Lüthjan mit der Aussage, es “fallen unter den Gewaltbereiten besonders zwei Gruppen auf: der so genannte, sattsam bekannte «Schwarze Block» und eben die «Clown Army».

“Clown’s Army” sprüht Gift gegen Polizisten”, so der Titel bei Spiegel Online im Live Ticker. Und weiter “Acht Polizisten mussten zur Behandlung ins Krankenhaus gebracht werden”, sagte Sprecher Axel Falkenberg.” Ein eingeständiger Artikel vermeldet “Verkleidete Demonstranten sollen Polizisten mit Säure attakiert haben“. Im NDR wird gemeldet: “Chemische Flüssigkeiten gegen Polizisten“.

Nur, die Krankenhäuser vermelden, dass keine Polizisten mit Hautreizungen eingeliefert wurden. Die  Säure entpuppte sich inzwischen als alkalische Lösung. Auch hier hätten durch die Medien mit zwei Telefonanrufen die Pressemeldung der DDP überprüft werden können. Dies ist nicht geschehen.

Inzwischen rudern die Medien zurück. Spiegel Online ergänzt seinen Artikel mit clownfreundlichen Aussagen; die Ticker-Meldung wurde umgeschrieben und mit einem anderen Titel versehen. Der NDR tauscht den Artikel komplett aus und behauptet nun nahezu das Gegenteil. Eine Kennzeichnung der Änderungen fehlt!

Der Schaden ist geschehen. Gravierende Falschmeldungen wurden ohne Überprüfung veröffentlicht. Eine Korrektur der eigenen Veröffentlichung erfolgte sukzessive und versteckt (keine Kennzeichnung) sowie zumeist auf den nur selten besuchten Archiv-Seiten. Eine öffentlich wirksame Richtigstellung dieser Diffamierung unterblieb.

Über 1000 Verletzte

“Wollt Ihr Tote, Ihr Chaoten?”, so titelt ein vielseits für eine reisserische Berichterstattung bekanntes Boulevardblatt über die Ereignisse am Rande der Großdemonstration am Samstag in Rostock. Auch die anderen Medienanstalten überbieten sich in der Berichterstattung über die Anzahl der Verletzten wie auch der Schäden.

Von NDR, Spiegel bis hin zur der Sueddeutschen und vielen weiteren Pressemedien wurde diese Meldung in die Welt posaunt. Von über 30 Schwerverletzten war die Rede. Jetzt, einige Tage später, dringen erste zaghafte Meldungen an die Öffentlichkeit, dass diese Zahlen falsch sind. Wie auf Telepolis durch Forian Rötzer zusammengefasst, vermeldete Stern 2 Tage nach den Ereignissen “Zahl der Verletzten zweifelhaft“. Focus, wie auch Spiegel Online melden inzwischen das nur zwei Polizisten stationär behandelt wurden.

Dennoch, der Schaden ist geschehen. Angeheizt durch die erschreckende Berichterstattung wurde durch Politiker, Bürger wie auch die Medien eine Diskussion über die Aufrüstung der Polizei mit Gummigeschossen sowie den Einsatz der GSG9 bei Demonstration angefacht. Noch schlimmer, selbst die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Verbot des Sternmarsches wurde durch die vermeldete Gewalt deutlich beeinflusst. So schreibt nach SPON das BVG in seiner Erklärung: “Angesichts der Ausschreitungen von G-8-Gegnern lehnten sie es jedoch ab, den Sternmarsch per einstweiliger Verfügung zu ermöglichen.

Sieht so verantwortungsvoller Journalismus aus? Nein!

Selbst mir als moderat demonstrationserfahrenem Bürger ist bekannt, dass bei Demonstrationen Verletztenzahlen vielfach inkorrekt oder schlichtweg falsch sind. Castor-Transporte seien hier nur beispielhaft genannt. Bestenfalls kann man in diesem Fall das Verhalten der Journalisten als Unfähigkeit werten, schlimmstenfalls als politisch motivierte “Brandstiftung”. Ersteres wirft die berechtigte Frage nach der Qualifikation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für die Erfüllung des Rundfunkauftrages auf. Letzteres würde die Legitimierung der Presse vollständig in Frage stellen.

Zu Meldungen am Samstag über eine vollständig verwüstete Innenstadt, zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen und einer ungekanten Brutalität nur soviel: Die Gewaltausschreitungen waren auf ein an die Innenstadt angrenzendes Gebiet von der Größe eines Fußballplatzes beschränkt. Inwiefern zwei brennende Autos und eine Mülltonne als Bürgerkrieg angesehen werden können…
das kann jede Studentendemonstration in einer französischen Kleinstadt überbieten Vom 1. Mai in Berlin gar nicht zu reden.

Die Montagsdemo

Am Montag, dem Demonstrationstag zum Thema Migration, fand unter anderem eine Demonstration von der zentralen Sammelstelle für Asylbewerber in der Satower Straße über die Innenstadt zur Abschlusskundgebung am Stadthafen statt. bereits am vormittag zog ein Demonstrationszug von der Ausländerbehörde in der Werftstraße zum Sonnenblumenhaus in Lichtenhagen.

Erstaunlich war die identische Meldung von z. B. Spiegel Online, Stern oder NDR über eine Demonstrationszug von der Ausländerbehörde zum Stadthafen. Dies mag eine kleine Ungenauigkeit sein, zeugt aber dennoch von fehlender Sorgfalt. Eine Auseinandersetzung mit dem Geschehen fehtl. Ein Blick in das Veranstaltungsprogramm hätte geholfen.

Update: Inzwischen ist der Fehler  – wiederum ohne Hinweis – vielfach korrigiert.

Ja was denn nun?

Verletzte Polizisten mit Helikoptern ausgeflogen“, so meldet der Spiegel Online Ticker gestern um 14:15 Uhr und bezieht sich hier auf eine DPA Pressemeldung. Nur wenig später, um 15:23 Uhr wird vermeldet: “Polizei: Keine Verletzten ausgeflogen“.

Ja was denn nun? In diesem Fall zeigt sich, dass ein reflektiver und kritischer Journalismus nicht gegeben ist. Vielmehr werden Informationen aus nicht bestätigter Quelle schnellstmöglich weitergegeben. Es ist verständlich, dass die Berichterstattung aus einer turbulenten und nicht immer offensichtlichen Situation nicht immer einfach ist. Aber sollte dies nicht Anlass zu besonderer Sorgfalt sein? Viele Medien meinen offensichtlich Nein!

… und ein Fazit

Obige Beispiele sind nur einige von vielen Verfehlungen der Medien. Viele dieser Falschmeldungen sind entstanden aus einem blinden und unreflektierten Vertrauen auf die Berichterstattung der Presseagenturen. Diesen wird de facto ein “Faktenmonopol” gewährt. Eine kritische Hinterfragung geschweige denn eine Dokumentation von wiedersprüchlichen Informationen bleibt zumeist aus.

Noch schlimmer, vielfach werden selbst durch Reporter vor Ort eben diese “Fakten” der Presseagenturen verlesen. Eine eigene Recherche – die durch die Präsenz in unimittelbarer Nähe vor Ort (!)leicht gegeben wäre – unterbleibt. Als Beispiel sei hier nur die Aussage eines Reporters im NDR Nordmagazin zur Situation vor einem Gate am Zaun von Heiligendamm gestern abend erwähnt.

Eine kritische Hinterfragung von Aussagen unterbleibt. Beispielhaft sei nur die Presseerklräung #80 der Einsatzleitun Kavala genannt. “Die Polizei Rostock, BAO Kavala, hat soeben festgestellt, dass Teilnehmer … sich mit Molotow-Cocktails bewaffnen und Steine aufnehmen.” Eine Erklärung, wie im Wald eine Bewaffnung mit Molotow-Cocktails möglich sein soll bzw. wie derartige Waffen durch massives Polizeiaufgebot zu den Demonstranten gelangen, unterbleibt. Nein, die Meldung wird entsprechend 1:1 übernommen und verteilt wie auch hier zu sehen.

Abschliessend kann ich nur den Spiegelfechter zitieren:

Wenn Nachrichtenagenturen und die Medien selbst Verlautbarungen von Pressesprechern der Polizei ungeprüft als Faktum darstellen, so versagen sie in ihrer Aufgabe als vierte Gewalt, die die Staatsmacht kontrollieren soll. Und paradoxerweise sind es die Bürger selbst, die mittels Blogs, Foren und anderen Plattformen die Medien kontrollieren. Dies ist die Gegenöffentlichkeit gegen das Meinungsmonopol, die ein Ideal von „Web 2.0“ ist. Wer überwacht die Wächter? Es sind wir!

Handtaschenräuber, Handtaschenräuber,
überall, überall Handtaschenräuber!

Da hilft nur noch Hubschraubereinsatz,
Hubschraubereinsatz!

Quelle: Foyer des Arts

G8 – Die Stadt und die Polizei

“Rostock begrüßt seine Gäste?” So der Tenor der Landesregierung wie auch des Bürgermeisters der Hansestadt. Das Ladenschlussgesetz wurde weitgehend ausser Kraft gesetzt. Rostock sollte sich weltoffen und einladend zeigen. Aber die Realität sah anders aus.


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Verängstigt durch die intensive Gewaltdiskussion der Bundes – und Landespolitiker im Vorfeld sowie verunsichert durch Informationen der lokalen Polizei und der üblichen Gerüchteküche zeigte sich die Stadt zu Beginn der Protestaktionen ausgestorben. Wer konnte, der hatte die Stadt verlassen. Parkplatzprobleme? Hier und heute ausnahmsweise nicht!


LeereInnenstadt

Die Ladenbesitzer, die im Vorfeld auf mögliche Ausschreitungen durch die Polizei hingewiesen und aufgefordert wurde, kostspielige Auslagen aus den Schaufenstern zu entfernen, reagierten übertrieben. Am Samstag, dem Tag der Großdemonstration, war fast in der gesamten Innenstadt kein Brötchen zu bekommen, kaum ein Geschäft hatte geöffnet. An den wichtigsten Einkaufsstraßen war ca. jedes dritte Geschäft verbarikadiert. Ein gespenstisches Bild.


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Der Tag der Großdemonstration war dann für die Bewohner der Innenstadt ein Ort der Ruhe und der Stille. Kein Verkehrslärm, wie wunderbar. Die Polizei war zwar präsent, hatte sich aber zumeist in Nebenstraßen bzw. Hinterhöfen zurückgezogen.

Das änderte sich nach den Konflikten am Rande der Großdemonstration. Insbesondere im Bereich der Abschlusskundgebung wurde die Polizei massiv präsent. Nicht gerade vertrauenserweckend, die Jungs.


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Hierbei, und dies möchte ich ausdrücklich betonen, wurde mir aber niemals der Weg verstellt bzw. konnte ich sonstige Schikanen beobachten. Vielmehr waren die Polizisten zumeist freundlich – die “Verbrecher” beim Wasserlassen ausgenommen – und kooperationsbereit. Auch konnte man hinter den Reihen der Polizei auch in der heissen Phase erkennen, dass diese vielfach um Rückzug bemüht waren. Vielfach konnte ich beobachten, wie sich in Stellung gebrachte Bereitschafftspolizisten in Montur in Nebenstraßen zurückzogen.

Über Gerüchte einer vollkommen zerstörten Innenstadt sage ich lieber nichts… nur so viel: Die Konflikte waren auf ein Gebiet am Stadthafen an der Grenze zur Innenstadt auf einer Fläche so groß wie ein Fußballfeld.


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Auch in den folgenden Tagen war die Polizeipräsenz z. T. erkennbar. Nach der Auflösung einer Demonstration am Montag nachmittag – die genehmigte Demo-Route wurde durch die Polizei verweigert, das Demonstrationsrecht de Facto ausgehebel – kam es zu massiver Polizeipräsenz im Bereich zwischen Stadthafen und Demonstration. Verkehr wurde umgeleitet, die Bewegungsfreiheit von Demonstranten auf einige wenige Straßen eingeschränkt. Personenkontrollen verdächtiger Personen wurden durchgeführt.


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Es lebe der friedliche Protest!


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